Johannes Brahms (1833-1897): „Schicksalslied“ für Chor und Orchester; op.54


https://www.youtube.com/watch?v=yC8CNpFu_7Q

Die 1871 vollendete weltliche Kantate nach einem Text von Friedrich Hölderlin (1770-1843) eroberte schnell die großen Konzertsäle Deutschlands, der Niederlande und der Schweiz.

Die Komposition ist deutlich in drei Teile gegliedert. Die ersten beiden Abschnitte entsprechen den Bildern der Dichtung Hölderlins.

Zu Beginn beschwört Brahms die "ewige Klarheit" und Hoheit der Götterwelt, indem er den Chor nach einer Orchestereinleitung mit lichter Holzbläser- oder warmer Streicherinstrumentation verbindet.

Im Gegensatz dazu steht der zweite, wahrhaft apokalyptische Teil für die von Leid erschütterte, dem Tode zustrebende Tragik des Menschenschicksals - "wie Wasser von Klippe zu Klippe geworfen, jahrelang ins Ungewisse hinab". Dissonante Harmonik, gegentaktike Rhythmik sowie eine sprunghafte, zerrissene Melodik bestimmen das furiose musikalische Geschehen.

Während Hölderlin in seinem Gedicht Götter- und Menschenwelt - ganz im Sinne des antiken Schicksalsbegriffes unvereinbar nebeneinander bestehen lässt, kann Brahms diesen resignativen Schluss nicht akzeptieren.

Er fügt dem zweiten Teil seines Schicksalsliedes eine Coda an, in der er den Einleitungsteil, nun nach C-Dur aufgehellt, aufgreift. Die Aussage des Hölderlinschen Textes wird dadurch wesentlich verändert - ins Versöhnliche gewendet.