Rainer
Maria Rilke, "Der Panther" |
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Der 1875 in Prag geborene Rainer Maria Rilke gilt als der wichtigste deutschsprachige – nach vieler Meinung sogar europäische – Dichter des 20. Jahrhunderts. Er wurde von seiner Mutter sehr empfindsam erzogen, von seinem Vater auf eine Militärschule geschickt. Diese enttäuschte ihn so sehr, dass er sich noch stärker in eine Phantasiewelt zurückzog, gefördert von der damaligen Kunstrichtung des Symbolismus. Rilke machte (mit Lou Andreas-Salomé) Reisen nach Russland, hielt sich in der norddeutschen Künstlerkolonie Worpswede auf und zog 1902 nach Paris, wo er Privatsekretär des Bildhauers Auguste Rodin wurde. Von aristokratischen Mäzenen gefördert, führte er ein vie de châteaux, das ihn schlieβlich auf Schloss Muzot in der Schweiz brachte. Dort starb er 1926. Die Grabschrift, die er selbst für sich ersonnen hat, lautet:
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Rilke war ein ruheloser, übersensibler Mensch, der mit groβen und oft unbestimmten Ängsten lebte (vgl. seinen Pariser Roman Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, 1910). Er erfuhr sich als ein Mysterium, aus unbekannten Gründen in eine ebenso geheimnisvolle Wirklichkeit gestellt. Durch seine dichterische Einbildungskraft versuchte er bewusst umzugehen mit allem Geheimnisvollen und Unverständlichen, das er täglich in sich und seiner Umwelt antraf. Seine Dichtung ist eine autonome Suche nach einer geistigen Wirklichkeit. Zu seinen Werken gehören die zugänglichen, trostreichen Lyrikbände Das Stunden-Buch (1905) und Das Buch der Bilder (1906), die objektiveren Neue Gedichte (2 Teile, 1907/1908), die visionären Duineser Elegien (1923) und Sonette an Orpheus (1923), daneben viele Briefbände. Die Neuen Gedichte bedeuten eine Wende in Rilkes Lyrik und sind der Ausdruck eines ‘neuen Sehens’. Beeinflusst durch eine Ausstellung von Cézanne, durchbricht er mit dieser Lyrik den jahrhundertealten Gegensatz zwischen Subjekt und Objekt. Die sogenannten ‘Dinggedichte’ sind weder subjektive Gefühlsäu βerung noch objektivierende Beschreibung; vielmehr schaffen sie ein Gleichgewicht, einen Zwischenraum zwischen Subjekt und Objekt. Durch genaue Betrachtung der Dinge (Tiere, Gegenstände, Menschen) versucht der Dichter deren Inneres zum Ausdruck zu bringen: "Durch alle Wesen reicht der eine Raum: Weltinnenraum". Das früheste der Neuen Gedichte ist zugleich eins der berühmtesten. Rilke schrieb es bereits Ende 1902, nachdem er im Jardin des Plantes in Paris mehr als zehn Stunden vor dem Käfig eines Panthers gesessen hatte.
Im Jardin des Plantes, Paris Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müde geworden, dass er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, der sich im allerkleinsten Kreise dreht, ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein grosser Wille steht. Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannte Stille – und hört im Herzen auf zu sein.
1. Welche Handlungen des Tieres werden hier
beschrieben? 3. In manchen Dinggedichten gibt es einen Umschlag von der Oberfläche in die Tiefe. Wo finden Sie hier dieses Umkippen? 4. Welche zwei Gegensätze sieht Rilke in der Existenz des gefangenen Panthers? 5. Rilkes Lyrik wird wegen ihrer Klangschönheit und ihrer originellen Bildersprache gelobt. Was finden Sie schön formuliert? | |
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Näheres über Rilke: rilke.de - rilke entdecken - rilke besprechen Rilke-Biografie des Deutschen Historischen Museums | |
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